Montag, 29. Juni 2015

Kurze Nächte im Iran

Wir gesellen uns mittlerweile munter unter die Campinghelden in den Stadtparks. Auch im Ramadan sieht man die Picknicker, einfach erst am Abend nach Sonnenuntergang. Dann dafür richtig viele. Wir kriegen auf unserer Picknickdecke viel Besuch, die Leute bringen Früchte, Süsses und Cay, wir plaudern mit Händen und Füssen, posieren für unzählige Fotos und schon ist Mitternacht durch.
Ähnlich läuft es bei den Übernachtungen in Privatwohnungen. Die Iraner lieben es, Gäste zu haben. So werden wir teilweise von der Strasse gepflückt und eingeladen. Und wenn wir dann mal bei ihnen zu Hause sind, sind die Gastgeber sehr bemüht, uns alles Sehenswerte von ihrem Ort zu zeigen. So werden wir häufig mit dem Auto rumgefahren, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. Manchmal werden wir zu Freunden der Gastgeber gefahren und dort wie eine Trophäe präsentiert. Und fast immer gibt es viel und gut zu essen und interessante Diskussionen. Wir erfahren viel über das Leben vor und hinter den Türen. Und da man hier sehr spät isst, kommen wir auch bei Gastfamilien erst spät nach Mitternacht ins Bett. Genauso schwierig ist es jeweils, am Morgen früh raus zu kommen, um der Hitze etwas zu entfliehen. Die Leute sind manchmal fast ein wenig enttäuscht, dass wir nicht zum Mittagessen bleiben. 80 km? Dauert ca. zwei Stunden, da kann man doch gut noch zum Mittagessen bleiben und am Nachmittag gehen...
So flüchten wir uns hin und wieder in ein Hotel, um einfach einzuchecken, uns kurz hinzulegen, durch die Stadt zu spazieren, Essen zu suchen, früh schlafen und am Morgen früh loszufahren.
Aktuell ist für ein paar Tage Pause mit Pedalen. Wir sind wieder mal am Stempel sammeln. Red Tape, wie der Engländer diese Beschäftigung so schön nennt. Wir haben dazu die Velos bei einem warmshowers Gastgeber am kaspischen Meer stehen gelassen und sind mit den Bus nach Teheran gefahren, um dort das turkmenische Visum zu beantragen. Teheran ist mit seinen 12 Millionen Einwohnern eine grosse, laute und hektische Stadt. Dank iranian GPS (einer beliebigen Person den Ort nennen, wo man hin will, die sagt einem die Richtung oder begleitet einen gleich ans Ziel) finden wir uns aber gut zurecht. So mühsam das Stempel sammeln ist, so spassig sind die Botschaften als Treffpunkt der Radler. Man denkt manchmal, dass alle um die Welt radeln. So haben wir zum Beispiel Ritzo gesehen, einen Holländer, der in Holzzockeln von Holland nach China radelt (http://twitter.com/cyclingclogs">http://twitter.com/cyclingclogs
).
Anschliessend sind wir mit dem Bus nach Esfahan gefahren, dem Zermatt Irans. Die Stadt ist ausgesprochen schön. Man kann fast alles zu Fuss erkunden. Die Moscheen und Paläste um den riesigen Imam Square sind echt beeindruckend, wir konnten uns kaum satt sehen. Auch in Esfahan haben wir gestempelt: Wir haben unser Iran Visum verlängert und somit ein ziemlich entscheidendes Teil zu unserem Verwaltungspuzzle hinzugefügt. Es fehlen uns nun noch zwei Stempel zum Glück: das turkmenische Visum und die Erlaubnis für den Pamir Highway.
Vorerst ist aber fertig mit Stempeln. Wir sind jetzt im Bus unterwegs nach Yazd, einer Wüstenstadt. Wir freuen uns sehr auf eine total andere Stadt und etwas weniger auf Temperaturen bis 45 Grad.

Underneath the bridge... ist es schön kühl 
Die Vank Kirche im armenischen Viertel in Esfahan 

Die Si-o-se (33) Brücke in Esfahan







Sonntag, 14. Juni 2015

Relax, miss Iris

Wir sitzen im Mozafer Park und versuchen, die Erlebnisse der ersten paar Tage im Iran auf die Reihe zu kriegen. Es sind einige, der Iran ist ein sehr Erlebnis-intensives Land...

Der Grenzübertritt war erstaunlich einfach: Kein Gepäck durchsuchen,  nur Pass anschauen, etwas Respekt-Warten vor der Schranke, zwei, drei Fragen beantworten und schon waren wir im Iran. Gleich hinter dem Zoll tauschten wir die ersten 100 Euro in einen ca. fünf Zentimeter hohen Papierstapel. Nun konnte es losgehen. Die Einfahrt nach Maku war nicht so einfach, da wir der persischen Schrift noch nicht mächtig sind. Allerdings wiesen uns an jeder Kreuzung zehn Hände aus verschiedenen Fahrzeugen ungefragt den Weg, so dass wir gar nicht auf die Strassenschilder angewiesen waren.

In Maku war dann erst mal Pause. Reto fühlte sich nicht so fit. Wir gingen in ein Hotel, Reto holte einen Tag Schlaf nach und war am nächsten Tag bereit, Maku zu Fuss zu erkunden. So sahen wir uns mal den Stadpark dort an.

Viele Städte haben einen Park, in dem man mehr oder weniger offiziell Campieren darf. Picknick und Camping sind gross im Iran. Die Leute werfen ihren Perserteppich aus, legen ein Kissen drauf, etwas Tee aus der Thermoskanne und dann halten sie Siesta.

Wir waren sofort umringt von gesprächigen Leuten, die wissen wollten, woher wir kommen, wohin wir gehen und ob wir verheiratet seien (ja) und Kinder hätten (nein - was? Warum nicht?).

Die nächste Etappe führte uns nach Qara Zya Eddin, einer Stadt mit ca. 50 000 Einwohner. Kaum hielten wir in einer Strasse an, um den Einkauf zu besprechen, waren wir von acht überaus hilfswilligen Leuten umringt, von denen jemand italienisch und jemand französisch sprach. Wir erklärten also, dass wir einkaufen wollten und so verschob sich das ganze Detachement Einkauf in den Laden auf der anderen Strassenseite, wo wir dank solch grosser Hilfe unsere Mission "Tomaten und Auberginen" erfolgreich beendeten. Anschliessend suchten wir den lokalen Camping Park. Wir fanden einen mit Musik, Ping Pong Tisch und Kinderhüpfburg. Auch hier bildete sich sofort eine Gruppe, so dass wir schnell geklärt hatten, dass wir das Zelt aufstellen durften.

Während wir kochten, kriegten wir laufend kleine Geschenke: noch mehr Sangak (Fladenbrot), Frischkäse, frische Datteln und Kirschen. Nach dem Essen ging das so weiter, es kamen noch Glace, Crèmeschnitten und Trockenfleisch. Wir sind bisher noch nicht so gut im Ablehnen...

Die Nacht war etwas laut, da wir offensichtlich im Disco Park gelandet waren. Der Sound hallte bis nach Mitternacht durch unser Zelt.

Trotzdem schafften wir es am nächsten Tag früh aus den Federn für die 105 km Etappe nach Marand. Da es praktisch keine Dörfer gab, gab es auch kaum einen Grund zum halten. So fuhren wir die Etappe recht zügig durch und waren kurz nach dem Mittag vor Marand. Dort streckte uns ein Mann neben seinem am Strassenrand geparkten Auto zwei Dosen gekühlten Fruchtsaft hin. Er stellte sich als warmshower Mitglied vor und bot uns eine Übernachtungsmöglichkeit an. Wir durften uns aus seinem Lebensmittelshop ein Getränk auswählen und dann ging alles ganz schnell. Wir durften die Schlafsäcke vom Velo nehmen, die Velos selber wurden verstaut, wir stiegen in ein Taxi ein, dass aus der Stadt irgendwo einen Berg hochfuhr. In einem kleinen Dorf wartete ein anderes Auto mit einem Mann und einer Frau, in welchem es noch weiter den Berg hoch ging, bis wir bei einer kleinen Hütte landeten. Der Fahrer war ebenfalls warmshowers Mitglied, und neben ihm und seiner Frau waren auf der Hütte noch seine Eltern und Grosseltern. Alle hiessen uns herzlich willkommen, servierten uns essen und liessen uns dann mal auf dem Teppich vor der Hütte mit Blick auf Marand etwas dösen. Die frische Luft, die müden Beine und das beruhigende leise Schnarchen der Grosseltern liessen uns sofort einnicken.

Den Nachmittag und Abend verbrachten wir mit einem kurzen Spaziergang zur Wasserquelle, plaudern über Iran und die Schweiz, Fotos schiessen und anschauen und auf dem Feuer gekochten Essen geniessen. Es war eine sehr entspannte Atmosphäre, Frauen plauderten mit Männer und umgekehrt. Die Mutter meinte sogar:"Relax, miss Iris, here is not Iran" und deutete ihr, dass sie das Kopftuch abnehmen könne. Als wir nach elf in den Schlafsack krochen, fühlten wir uns erholt wie nach einem Ruhetag, die 105 km waren weit weg.

Das nächste Highlight erwartete uns in Tabriz. Nach einer hitzigen, windigen und verkehrsreichen Einfahrt erwartete uns jemand auf dem Fahrrad. Hassan sah uns, als er im Auto heimfuhr und lud uns zu Sightseeing ein. So flitzten wir am Abend in seinem Auto durch Tabriz und arbeiteten im Akkord die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab, in einer Dichte, wie wir sie alleine nie geschafft hätten.

Wir brauchten nun eine Pause. Der Ruhetag kam uns gerade recht. Wieder mal lange schlafen und Dinge erledigen wie Wäsche waschen (wobei auch das schnell Projektgrösse annehmen kann...), Etappen planen und nicht viel tun.

Montag, 8. Juni 2015

Hoşçakal Türkye

Steile Strassen kennen wir bereits. Steile Strassen mit Kopfsteinpflaster lernten wir bei der Ausfahrt aus Ankara kennen. Dafür gabs fast keinen Verkehr. Oben auf dem Pass angekommen, genossen wir die Aussicht und bekamen Besuch von einem Hirten auf dem Pferd. Er lud Iris auf eine Runde reiten ein, was sie natürlich annahm. Gerne hätte er das Velo von Iris gegen das Pferd eingetauscht, oder vielleicht wollte er auch vorschlagen, Iris gegen das Pferd einzutauschen. So genau haben wir es nicht verstanden. Jedenfalls liess er uns schweren Herzens weiterziehen. 

Die Strasse den Pass runter wurde gerade frisch geteert, wir durften unter freudigem Rufen und Winken der Bauarbeiter den Belag einweihen. Rasant ging es bergab und natürlich gleich nachher wieder bergauf. 

Nach einer Weile knatterte der Freilauf vom Velo von Iris wieder. An der Tankstelle gab es erneut einen Öl-Schluck, eine Tee-Einladung sowie die Erklärung, dass es in kirk Kilometern evtl. einen Service für das Problem gebe. 40 Kilometer waren uns für heute Abend zu weit, also suchten wir ein Plätzchen um unser Zelt aufzustellen. 

Wir gossen nochmals etwas Öl in den Freilauf und siehe da, es funktionierte doch wieder. Trinkt einfach ganz schön viel, dieser Freilauf. 

Am nächsten Tag fuhren wir bei viel Gegenwind und Regen durch die Weite Anatoliens und erreichten vor einem erneut kräftigen Wolkenbruch Kirsehir. Übrigens, hungern tun wir hier nicht. Zum Znacht bestellten wir zweimal Kebap und bekamen zweimal Salat, verschiedene Vorspeisen, zweimal Kebap, Dessert und Cay. Unglaublich! 

Tags darauf ging es weiter nach Göreme, einem touristischen Dorf im Herzen Kapadokiens. Schon vor Göreme zeigten sich erste dieser bizarren Felsformationen, die Kapadokien berühmt machten. Göreme selber ist inmitten dieser Felstürme gebaut. Teils sind die Häuser in die Felsen geschlagen, teils aus Steinmauern gebaut, so dass sie sich farblich voll in die Landschaft einpassen. Da wir uns ein wenig Flasche leer fühlten, machten wir ein paar Tage Pause. Der Regen kam uns die ersten beiden Tage gerade recht, so konnten wir ohne schlechtes Gewissen auf dem Divan flätzen,  uns im Hamam durchschruppen und Seele und Beine baumeln lassen. An den aktiven Tagen verpassten wir Iris' Freilauf eine Fettladung und wanderten durch die Täler mit den vielen alten Höhlen. Einige davon waren richtige Kirchen mit Kuppeln und reicher Bemahlung. Man erkannte sie an den Kassenhäuschen daneben.

Gut erholt machten wir uns auf den nächsten Abschnitt auf. Dieser würde anstrengend werden, das wussten wir bereits aufgrund der Topographie. 1000 Höhenmeter am Tag waren der Standard, meteoblue drohte mit täglichen Gewittern, viel Wind und die Gegend war sehr dünn besiedelt. Der Lohn dafür bestand aus einer unglaublich schönen Gegend und fast keinem Verkehr. Wir waren hier richtig in den Bergen. Meistens schafften wir es vor den Abendgewittern in unser Ziel. Nur einmal zog ein Gewitter schon um die Mittagszeit auf, und dieses sah nicht nach zehn Minuten aus. So waren wir froh, als wir ein Steinhäuschen sahen, dass Platz für zwei Velos und zwei Velofahrer bot. Und für zwei Hummeln, die sich in Steinritzen verkrochen. Wir nutzen die Zeit für unser Picknick. Ab und zu ging eine der Hummeln nach draussen die Lage checken, sie kehrte aber jeweils sofort zurück und verkroch sich wieder in ihrer Ritze. Nach eineinhalb Stunden wagten wir uns raus in Teufels (Wasch-)Küche. Eine Viertelstunde zu früh. Wir wurden richtig geduscht und durchgewindet. Danach waren wir aber draussen, weg von der letzten Gewitterwolke. Der Wind legte sich und die Sonne lächelte scheinheilig, als ob nichts gewesen wäre.

Der letzte Tag dieses Abschnitts führte uns nach Divriği, einem netten Dörfchen in den Bergen mit einer beeindruckenden Moschee aus dem Jahr 1228. Und einem Bahnhof. Da die Iran Visa langsam riefen, entschieden wir uns, den ÖV zu neuem. Mit dem Zug fuhren wir die Strecke nach Erzurum durch eine traumhaft schöne Gegend, sehr bergig und sehr dünn besiedelt. Von dort wollten wir mit dem Bus gleich weiter nach Iğdır, ganz im Osten der Türkei. Mit Iğdırli Tours fanden wir einen Anbieter für diese Strecke und hielten kurz darauf unsere Tickets in der Hand, je eines für Männlein und Weiblein. Zusammen sitzen geht natürlich nicht, da hilft der schönste Ehering nichts. "Bisiklett, evet", hiess es noch am Schalter, "Bisiklett problem" dann beim Einladen. Der Verlade-Steward spielte auf Zeit und lud mal alles andere Gepäck ein, vermutlich in der Hoffnung, dass wir mal gehen würden. Wir spielten ebenfalls auf Zeit, in der Hoffnung, dass am Schluss genügend Kubikzentimeter Luft für unserer Räder übrig bliebe. Schlussendlich fand der Verlader noch ein Türchen, in das man die Velos stopfen konnte, verlangte aber dafür nochmals den Preis für zwei Personen. Wir bissen in den sauren Apfel, stiegen ein und flogen im Bus nach Iğdır. 700 km an einem Tag, dass war ein Sprung...

Am nächsten Tag stand die Etappe nach Doğubeyazit an, mit einer Steigung von 800 Höhenmetern gleich nach dem Start. Mit etwas Respekt nahmen wir die Etappe unter die Räder - und staunten dann ab uns selber, als wir schon um elf Uhr oben waren. Vermutlich lenkte uns die spektakuläre Sicht auf den Mount Ararat ab, mit 5137 Meter noch höher als der Üetliberg! So waren wir den schon um 14 Uhr in Doğubeyazit, wo wir uns ein schönes Hotel für den Ruhetag gönnten. Den Abend verbrachten wir damit, den Wahl-Liveticker zu aktualisieren und zu schauen, ob die Kurdenpartei HDP die 10% Hürde für den Sprung ins Parlament knacken würde. Von unserem Balkon aus betrachteten wir die feiernden Menschen und die Auto-Corsos. Wir selber waren fast so gespannt wie die Kurden, die wohl beinahe 100% der Bevölkerung Doğubeyazits ausmachen. Um halb neun stand fest, dass die HDP den Sprung ins Parlament schaffen würde. So wagten wir uns raus in die feiernde Menge und kriegten sogar noch was zu essen, während die Leute draussen das historische Resultat feierten.

PS. Ab jetzt werden wir im Iran unterwegs sein. Im Iran werden wir auf den Google Blogger und evtl. auf die Kartenapplikation von esri keinen Zugriff haben. Somit können wir nicht garantieren, dass wir den Blog regelmässig pflegen können. Und sollte der rote Punkt stehen bleiben, heisst das nicht, dass wir auch stehen bleiben.








Pause in Kapadokien 









Abwarten, für einmal ohne Tee trinken 






Iris mag Hunde - aus Plastik 

Farbenfroher Wahlkampf 



Seitenportal der alten Moschee in Divriği 



Blick aus dem Zugfenster

Multi-Kultur Komplex vor Doğubeyazit 

Mount Ararat mit Schaf