Montag, 26. Oktober 2015

Auf Irrfahrt durch Bavaristan

Nun sitzen wir wieder zuhause, öffnen Kartonkisten, füllen den Kühlschrank (da wo wir noch etwas Platz finden) und leben uns wieder ein. Der grossartige Empfang erleichterte das Heimkommen ungeheuer, danke!

Als wir in München losfuhren, merkten wir schnell, dass hier das Navigieren wieder komplexer wird. Hier kommt die nächste Abzweigung nicht in vier Wochen, sondern in vier Minuten. So mussten wir uns beim Versuch, den signalisierten Velowegen zu folgen von einem hilfsbereiten Bayer aus dem hintersten Winkel eines Dorfes zurück auf die Strasse evakuieren lassen.

Wir fuhren an unzähligen Biergarten vorbei. Hätte es nicht fast jeden Tag geregnet, wären wir vermutlich jetzt noch irgendwo in Bayern in einem Biergarten bei einem Bier und einer Breze. So fuhren wir halt zügig durch die Gegend und wärmten uns alle paar Kilometer in einer Gaststube auf.

Die letzte Nacht verbrachten wir bei Iris' Eltern, wo wir uns bei fünf Sterne Service nochmals richtig verwöhnen liessen. Dann trafen wir uns am Bahnhof Winterthur mit unseren Begleiterinnen und Begleitern, die mit uns die letzten Meter nach Zürich teilten, dem Anfang und Ende der Tour. Dort stiessen noch weitere Freunde dazu und bei einem Bier auf das Wiedersehen an.

Kyrzbekistan haben wir nicht gefunden, obwohl wir vermutlich nahe dran waren. Gefunden haben wir eine riesige Gastfreundschaft, interessante Kulturen, unglaubliche und unendlich scheinende Landschaften, tolle Menschen, innere Freiheit und viel Inspiration.

Schön wart ihr mit dabei auf unserer Reise. Danke fürs Lesen, Kommentieren und Mitfiebern! Das hat uns viel Energie gegeben.

Ein riesiges Dankeschön geht an dieser Stelle auch an Iris' Bruder, er hat uns den Rücken hier in der Schweiz frei gehalten und sich um alles Administrative gekümmert. Спасибо!


Schön...


Aber regnerisch


Vorbei am Hopfensee...


zum Bodensee

Begleittrupp

Tolle Überraschung zu Hause 

Genau. 






Freitag, 16. Oktober 2015

Winterspeck

In den letzten drei Tagen in München haben wir uns nun genug Winterspeck angefressen, um die nächsten Regentage auf der Fahrt durch Bayern zu überstehen. Die Anreise funktionierte ganz ok.

Zuerst fuhren wir mit einem Taxi von Bischkek an den Flughafen, und zwar nur unwesentlich langsamer als ein Flugzeug. So fuhr er in den 50-iger Zone 120. Da kann man ihm allerdings keinen Vorwurf machen, weil die Penner vorne dran auch nur 120 fuhren, er konnte gar nicht schneller.

Der Flug verlief ruhig und angenehm, in München war trotz umsteigen in Istanbul das ganze Gepäck unversehrt nach kurzer Wartezeit auf dem Rollband. Iris Eltern kamen uns am Flughafen abholen. Als wir die Räder zusammengebaut hatten, war schon 16 Uhr, Sperrzeit für Velos in der S-Bahn. Wir hofften, dass keine Stichkontrolle auftauchen würde und stiegen ein. Zehn Minuten später schauten wir die Stichkontrolle mit Rehaugen übertrieben ahnungslos an. Sperrzeit? Echt? Half nichts, wir flogen aus der S-Bahn in Johanneskirchen und realisierten, dass es ab jetzt wieder nicht nur Regeln gibt, sondern dass diese auch durchgesetzt werden. Dort fanden wir glücklicherweise die dicke Sophie, ein herrliches bayrisches Gasthaus, in dem wir bei einer deftigen Brotzeit die Sperrzeit überbrückten.

Wir verbrachten mit Iris Eltern zwei schöne Tage in München, mit durch die Altstadt und den englischen Garten Schlendern, Essen, Lädele, Essen, Glockenspiel Schauen und Essen. Und Bier trinken.

Nun liegen wir im Hotelzimmer, warten, bis der Regen etwas nachlässt und gehen im Geist noch mal die Unterschiede des Velofahrens in Europa durch:
- Hupen ist hier kein Gruss, sondern ein Warnsignal
- wir dürfen nicht mehr auf Autobahnen fahren
- wir sollten in fünfspurigen Kreiseln nicht mehr in der Mitte fahren
- wir müssen Rechtsvortritt (oder generell: Verkehrsregeln) beachten.

PS
Am Freitag, 23.10. werden wir die letzte Etappe von Winterthur nach Zürich fahren. Falls jemand Lust hat, uns zu begleiten: gerne!

Treffpunkt 14:15 am Treffpunkt vom Bahnhof Winterthur.
In Zürich werden wir uns wohl noch ein Bier gönnen. Falls jemand da dabei sein will, gebt uns bitte Bescheid, damit wir euch noch mitteilen können, wo wir sind.


Von Bischkek...

Über den lokalen Bazaar...


Nach München 

Über den dortigen Bazaar...

Direkt ins Resti

Samstag, 10. Oktober 2015

Warmduscher

Wir sind in Bischkek mitten in einer andern Welt. WCs mit Wasserspühlung, Kreuzungen mit Fussgängerampeln und Strassen ohne Kühe und Schafe. Hier geniessen wir die Annehmlichkeiten einer grossen Stadt und bereiten den letzten Abschnitt von München nach Zürich vor. Auf dem Weg hierhin fuhren wir vom Sommer in den Winter und zurück.

Ab Osh wurde es merklich wärmer. Am Toktogul Stausee zogen wir doch tatsächlich am 177. Tag unserer Tour zum ersten mal die Badehosen an und sprangen in den See. Nach Toktogul stieg die Strasse auf 50 km über 2000 Höhenmeter an - mit entsprechender Wirkung auf die Temperatur. Wir campierten kurz vor dem Pass auf über 2600 müM. Als wir am Morgen den Reissverschluss vom Zelt öffneten, rieselten Eisflöckchen vom Zelt. In diesem Moment wurden wir zu Warmduschern. Wir entschieden uns, nicht mit dem Velo zum Song Kul See hochzufahren, da dieser über 3000 müM liegt und der Weg dorthin mind. drei weitere eiskalte Campingnächte bedeutet hätte. Wir sollten es nicht bereuen...

Stattdessen durchquerten wir das Suusamyr Tal. Dieses bot alles, was unsere Herzen begehrten: schönste Herbstfarben, Sicht auf schneebedeckte Berge, menschenleere Abschnitte, unterbrochen durch gelegentliche Dörfer mit Homestays mit warmen Duschen. Zwischendurch überholte uns mal ein Lada oder Niva1600, zwischendurch überholten wir diese Gefährte. Zum Beispiel dann, wenn sie am Strassenrand standen und ihre Besitzer sich Zeit für ein spontanes Vodkaründchen nahmen, oder wenn ein Dampf speihender Niva1600 die Steigung schlicht verweigerte. Unseren Feldbeobachtungen nach verbraucht ein typischer kirgisischer Wagen auf 100 km 10 Liter Benzin, 12 Liter Kühlwasser und mind. einen Liter Vodka.

In Kochkor fanden wir tatsächlich noch ein Office, das eine Fahrt mit einer Übernachtung in einer Jurte am Song Kul organisieren konnte. Auf dem Hinweg legten wir beim Viehmarkt einen Zwischenstop ein. Dort konnten wir das Auswahlverfahren beim Viehkauf beobachten: Tier gründlich kneten (bei Schafen mit Schwerpunkt Gesäss), dann ein prüfender Blick ins Maul. Passt alles, wird der Deal mit Handschlag besiegelt und das Tier abgeführt.

Auf dem Weg über den Pass Richtung Song Kul kamen wir bald in den Schnee. Dann in tieferen Schnee, dann schlitterten wir seitwärts und standen schliesslich. Der Fahrer hatte zum Glück Schneeketten dabei.  Damit schafften wir es in Schritttempo über den Pass zum See. Dort wärmten wir uns in der Jurte, spazierten etwas dem See entlang, gingen zurück in die warme Jurte und fanden unsere Entscheidung, nicht mit dem Velo hierher zu kommen saugut.

Am nächsten Tag schlitterten wir nach dem Frühstück über den gleichen Pass zurück. Der Fahrer organisierte vor dem Losfahren noch eine Schaufel und meinte "Problem, Problem". Über Nacht hatte es nochmals geschneit. Während der Fahrt lachte er zwischendurch gequält und meinte bei jedem Rutscher "extreme, extreme!". Wir waren erleichtert, als wir unter der Schneegrenze ankamen. Er auch.

Noch am gleichen Tag fuhren wir wieder auf unseren eigenen Gefährten weiter Richtung Bischkek. In den nächsten vier Tagen bis Bischkek gaben wir laufend Höhenmeter ab und tauschten sie gegen ein paar Grad Celsius ein. In Bischkek genossen wir nochmals Temperaturen um die 30 Grad. Wohl zum letzten Mal für eine ganze Weile.


Guetzli Paradies am Bazaar 

Unser Lieblingsbrot

Kilos anessen in Osh 

Sonnenuntergang am Toktogul See 

Heute keine Chilbi...

Kaltes Erwachen

Pferd und Reiter 

Schneeberge im Suusamyr Tal 

Herbstfarben

Eine der zahlreichen Friedhof-Städte

Ziegen-Ersatzteillager

Chay

Happy day?





Wer hat das schönste Hinterteil?

Wintereinbruch

Zum Glück standen die Jurten am Song Kul noch... 

teilweise...

Man hilft wo man kann.

Yaks 

Wunderschöner Herbsttag am Issyk-Kul

Anstossen auf 10 000 km

Ankunft in Bischkek





Mittwoch, 16. September 2015

Hard but beautiful

Hard but beautiful, diese Beschreibung hörten wir fast immer, wenn es um den Pamir Highway ging, egal welcher Abschnitt. Nordroute von Dushanbe nach Khorog? Hard but beautiful. Wakhan Valley? Hard but beautiful. Akbaital Pass? Genau, hard but beautiful. Also kauften wir in Dushanbe kiloweise Essen ein, zogen alle schrauben am Velo an und bereiteten uns mental auf eine harte aber schöne Zeit vor.
So machten wir uns auf, über die Nordroute nach Khorog und verliessen bald die gute Strasse. Den ersten hohen Pass über 3252 Meter befuhren wir relativ locker, dass machte Mut für die weiteren Kilometer. Je näher wir der Passhöhe kamen, desto mehr 5000- und 6000er kamen in unser Blickfeld. Nach dem Pass schlängelte sich die Strasse der afghanischen Grenze entlang nach Khorog. Die Trennlinie ist der Fluss Pany. Eindrücklich, so nah an Afghanistan zu sein, die Kinder spielen zu hören und das Leben auf der anderen Flussseite zu beobachten.
Ab Khorog entschieden wir uns für das Whakan Valley, weil wir uns lange damit befasst hatten. Die Hauptstrasse M41 war seit einigen Tagen wieder offen, so dass im Whakan Valley fast kein Verkehr mehr war. Und wenn schon hard, dann richtig. Die Strecke war größtenteils offroad und es ging immer leicht auf und ab. Zudem meldete sich bei Reto ein Durchfall, der ihm ermöglichte, die Wanderung des Mondes die Nacht durch genau zu beobachten. So waren kaum mehr als 50 km am Tag möglich. Dafür trafen wir während eines Zwangsstopp Claude Marthaler auf einen Schwatz und tauschten Geschichten aus.
Bis Langar ging es durch viele Dörfer im Tal, so dass wir immer mal wieder in einem Homestay übernachten konnten und einen kleinen Einblick in den lokalen, wohl sehr strengen Alltag erhielten. Immer wieder öffnete sich der Blick auf die schneebedeckten Berge des Hindu Kush, beautiful. Ab da stieg die Strasse steil an, die nächsten 120 km war alles offroad, Sandbänke zwangen uns zum Schieben und mit dem Khargush Pass wartete der erste Pass über 4000 Meter auf uns. Die Strecke war hard but very beautiful. Die Höhe bereitete Reto an den ersten zwei Tagen etwas Probleme, ab dann ging es aber sehr gut. Was wichtig war, weil für die nächsten paar Tage kamen wir nicht mehr unter 3800 Meter.
Vor Alichur kamen wir auf die M41 und freuten uns über den Asphalt. In Alichur angekommen, übernachteten wir in einer mit Yak-Kack geheizten Yurte und wärmten uns von der gestrigen, eiskalten Nacht auf.
Ab Murghab fuhren wir zusammen mit den Velölern. Von ihnen hatten wir in Griechenland zum ersten mal von Wo ist das Flickzeug gehört, im Iran sahen wir ihre Velos und in Samarkand schafften wir es zu einem gemeinsamen Nachtessen. So war die Freude gross, als wir ein paar Tage zusammen fahren konnten.
Ab Murghab wartete mit dem Akbaital Pass mit 4655 müM das Dach der Tour. Wenigstens war die Strasse bis kurz vor dem Pass asphaltiert. Wir schafften den Pass der dünnen Luft zum Trotz recht gut, genossen die beeindruckende Aussicht und freuten und auf ein lockeres Runterrollen nach Karakul. So einfach liess uns der Pamir leider nicht runter. Zuerst kamen 13 Kilometer fiese Waschbrett-Strasse, die uns so richtig durchschüttelte. Kaum hatten wir die geschafft, setzte ein kalter Gegenwind ein, der uns zu 1-Kilometer-Ablösungen zwang, so dass wir wenigstens 10 km/Stunde rollen konnten.
Auch am nächsten Tag setzte pünktlich um drei Uhr wieder der Gegenwind ein, diesmal begleitet von einem Sandsturm. Auf die Frage, was wir jetzt tun sollten, antwortete Tom: "a Bode sitze u gränne." Und das war in diesem Augenblick nicht mal die schlechteste aller Optionen. Wir entschieden und dann doch anders und verkrochen uns unter einem trockenen Wasserdurchlass unter der Strasse, tranken einen Schluck Schnapps auf die missliche Lage und verschwanden vor 7 Uhr in den Schlafsäcken um die eiskalte Nacht auszuhalten.
Der letzte Tag in Tadschikistan bot noch mal Mi einen Pass über 4336 müM und einen erstaunlich einfachen Grenzübertritt, dann waren wir in Kirgistan. Auf der kirgisischen Seite war die Landschaft sofort grüner und wir sahen die ersten Pferde. Die Bergkulisse in unserem Rücken war gewaltig und liess uns etwas wehmütig zurück blicken. In Sary Tash verabschiedeten wir uns von den Velölern. Sie fuhren weiter nach China, wir nach Osh, wo wir uns ein Hotelzimmer mit Dusche, richtigem Bett, INTERNET und eigenem WC gönnten, letzteres am ersten Tag ein beliebter Aufenthaltsort von Iris...
Einmalig waren diese Wochen in den Bergen. Viel Weite, beeindruckende und abwechslungsreiche Landschaften, Staunen über das Leben der Einheimischen auf dieser Höhe, Zittern um das Wetter, eisige Nächte, Freude über die Sonnenstrahlen, die die Finger auftauen liessen, dünne Luft, viel Freude über das Erklimmen der Pässe. Wir sind glücklich und stolz, diese Strecke geschafft zu haben.
Nun überlegen wir uns, ob wir auf dem Weg nach Bishkek den Umweg über die A367 fahren sollen. Was dafür spricht: Beautiful. Was dagegen spricht: Hard.


Nicht immer eitel Sonnenschein 


Stau im Whakan


Berge... 


Parallelstrasse auf der afghanischen Seite 


Homestay in einem tadschikischen Haus. Tee und Brot gehörten zum Standard Empfang. 


Berge... 


Berge... 


Noch mehr Berge... 


Sandbänke zwangen uns zum Schieben. 


Pause 


Camping bei Minusgraden 






Unser Zuhause für eine Nacht 


Berge... 


Berge mit Fluss... 


Waschtag


Container Bazaar in Murgab 


Geschafft, wir sind auf dem Akbaital Pass! (Also genau genommen noch nicht ganz, die Tafel stand weit unterhalb der Passhöhe...) 


Berge mit Strasse 


Berge mit See


Trinkwasser Brunnen in Alichur 


Fieser Sandsturm 


Nach Kaffee und einem Schluck Cognac war der Sandsturm vergessen 


So höch obe bini!


Berge mit Velo 


Berge mit Wiese


Berge ohne Wiese 


Und wieder runter 


Culture clash in Kirgistan