Sonntag, 14. Juni 2015

Relax, miss Iris

Wir sitzen im Mozafer Park und versuchen, die Erlebnisse der ersten paar Tage im Iran auf die Reihe zu kriegen. Es sind einige, der Iran ist ein sehr Erlebnis-intensives Land...

Der Grenzübertritt war erstaunlich einfach: Kein Gepäck durchsuchen,  nur Pass anschauen, etwas Respekt-Warten vor der Schranke, zwei, drei Fragen beantworten und schon waren wir im Iran. Gleich hinter dem Zoll tauschten wir die ersten 100 Euro in einen ca. fünf Zentimeter hohen Papierstapel. Nun konnte es losgehen. Die Einfahrt nach Maku war nicht so einfach, da wir der persischen Schrift noch nicht mächtig sind. Allerdings wiesen uns an jeder Kreuzung zehn Hände aus verschiedenen Fahrzeugen ungefragt den Weg, so dass wir gar nicht auf die Strassenschilder angewiesen waren.

In Maku war dann erst mal Pause. Reto fühlte sich nicht so fit. Wir gingen in ein Hotel, Reto holte einen Tag Schlaf nach und war am nächsten Tag bereit, Maku zu Fuss zu erkunden. So sahen wir uns mal den Stadpark dort an.

Viele Städte haben einen Park, in dem man mehr oder weniger offiziell Campieren darf. Picknick und Camping sind gross im Iran. Die Leute werfen ihren Perserteppich aus, legen ein Kissen drauf, etwas Tee aus der Thermoskanne und dann halten sie Siesta.

Wir waren sofort umringt von gesprächigen Leuten, die wissen wollten, woher wir kommen, wohin wir gehen und ob wir verheiratet seien (ja) und Kinder hätten (nein - was? Warum nicht?).

Die nächste Etappe führte uns nach Qara Zya Eddin, einer Stadt mit ca. 50 000 Einwohner. Kaum hielten wir in einer Strasse an, um den Einkauf zu besprechen, waren wir von acht überaus hilfswilligen Leuten umringt, von denen jemand italienisch und jemand französisch sprach. Wir erklärten also, dass wir einkaufen wollten und so verschob sich das ganze Detachement Einkauf in den Laden auf der anderen Strassenseite, wo wir dank solch grosser Hilfe unsere Mission "Tomaten und Auberginen" erfolgreich beendeten. Anschliessend suchten wir den lokalen Camping Park. Wir fanden einen mit Musik, Ping Pong Tisch und Kinderhüpfburg. Auch hier bildete sich sofort eine Gruppe, so dass wir schnell geklärt hatten, dass wir das Zelt aufstellen durften.

Während wir kochten, kriegten wir laufend kleine Geschenke: noch mehr Sangak (Fladenbrot), Frischkäse, frische Datteln und Kirschen. Nach dem Essen ging das so weiter, es kamen noch Glace, Crèmeschnitten und Trockenfleisch. Wir sind bisher noch nicht so gut im Ablehnen...

Die Nacht war etwas laut, da wir offensichtlich im Disco Park gelandet waren. Der Sound hallte bis nach Mitternacht durch unser Zelt.

Trotzdem schafften wir es am nächsten Tag früh aus den Federn für die 105 km Etappe nach Marand. Da es praktisch keine Dörfer gab, gab es auch kaum einen Grund zum halten. So fuhren wir die Etappe recht zügig durch und waren kurz nach dem Mittag vor Marand. Dort streckte uns ein Mann neben seinem am Strassenrand geparkten Auto zwei Dosen gekühlten Fruchtsaft hin. Er stellte sich als warmshower Mitglied vor und bot uns eine Übernachtungsmöglichkeit an. Wir durften uns aus seinem Lebensmittelshop ein Getränk auswählen und dann ging alles ganz schnell. Wir durften die Schlafsäcke vom Velo nehmen, die Velos selber wurden verstaut, wir stiegen in ein Taxi ein, dass aus der Stadt irgendwo einen Berg hochfuhr. In einem kleinen Dorf wartete ein anderes Auto mit einem Mann und einer Frau, in welchem es noch weiter den Berg hoch ging, bis wir bei einer kleinen Hütte landeten. Der Fahrer war ebenfalls warmshowers Mitglied, und neben ihm und seiner Frau waren auf der Hütte noch seine Eltern und Grosseltern. Alle hiessen uns herzlich willkommen, servierten uns essen und liessen uns dann mal auf dem Teppich vor der Hütte mit Blick auf Marand etwas dösen. Die frische Luft, die müden Beine und das beruhigende leise Schnarchen der Grosseltern liessen uns sofort einnicken.

Den Nachmittag und Abend verbrachten wir mit einem kurzen Spaziergang zur Wasserquelle, plaudern über Iran und die Schweiz, Fotos schiessen und anschauen und auf dem Feuer gekochten Essen geniessen. Es war eine sehr entspannte Atmosphäre, Frauen plauderten mit Männer und umgekehrt. Die Mutter meinte sogar:"Relax, miss Iris, here is not Iran" und deutete ihr, dass sie das Kopftuch abnehmen könne. Als wir nach elf in den Schlafsack krochen, fühlten wir uns erholt wie nach einem Ruhetag, die 105 km waren weit weg.

Das nächste Highlight erwartete uns in Tabriz. Nach einer hitzigen, windigen und verkehrsreichen Einfahrt erwartete uns jemand auf dem Fahrrad. Hassan sah uns, als er im Auto heimfuhr und lud uns zu Sightseeing ein. So flitzten wir am Abend in seinem Auto durch Tabriz und arbeiteten im Akkord die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab, in einer Dichte, wie wir sie alleine nie geschafft hätten.

Wir brauchten nun eine Pause. Der Ruhetag kam uns gerade recht. Wieder mal lange schlafen und Dinge erledigen wie Wäsche waschen (wobei auch das schnell Projektgrösse annehmen kann...), Etappen planen und nicht viel tun.

4 Kommentare:

  1. Aufpassen, dass Iris nicht auch medial ausgeschlachtet wird!!! Die Weltwoche wird schon ein Auge auf euch haben (ist genauer als der SAVAK 😉
    http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2008-14/artikel-2008-14-heldin-des-iran.html

    Grüsse vom Köppelbekämpfungs-Komitee

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    1. Wir wurden bisher weder von der lokalen noch von der Schweizer Presse entdeckt. Wir haben allerdings auch keine politische Agenda hier...

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  2. Frage: Wer von euch beiden schreibt eigentlich die Blog-Texte?
    Diese sind wirklich sehr gut geschrieben und bringen die Stimmung hervorragend rüber.

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    1. Danke für die Blumen. Wir haben einen 3-Stufenprozess. Wir sammeln zuerst gemeinsam die Ideen für den Blog, Reto schreibt die Rohfassung, Iris überarbeitet diese und wählt die Fotos aus. Dauert hier im Iran leider ein Momentli länger als anderswo.

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